Sicherheit in München
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

„Ein gutes Gefühl“!? Motive und Meinungen rund um die Sicherheitswacht in Neuhausen-Nymphenburg

alessa_artikel_1

09.12.2016: Ich begleite Stefan Sigl und Wolfgang Appel von der Sicherheitswacht Neuhausen-Nymphenburg bei ihrer Streife rund um den Rotkreuzplatz – laut dem Stadtportal München.de „das Zentrum des Münchner Stadtviertels Neuhausen“, in dem das Leben pulsieren soll. Das Stadtportal verspricht zahlreiche Möglichkeiten zum Genießen, Shoppen und Entspannen und man erfährt hier auch, dass der Platz früher einmal als ‚Neuhauser Stachus’ bezeichnet wurde. Nicht ohne Grund gibt es in München die Redewendung ‚hier geht’s ja zu wie am Stachus’. Der Stachus, das ist einer der zentralen Plätze und Verkehrsknotenpunkte der Stadt.

Ich schaue mich am Rotkreuzplatz um und sehe in der Tat viele Einkaufsmöglichkeiten, derzeit findet sogar ein Weihnachtsmarkt statt. Dennoch wirkt der Platz, auf Grund des regen Verkehrs und der zahlreichen Personen, hektisch und ungemütlich. Aber unsicher und gefährlich – das scheint er mir nicht. Dennoch gibt es in Neuhausen-Nymphenburg seit 2016 eine polizeilich organisierte Sicherheitswacht, die vor allem auch rund um den Rotkreuzplatz für Ruhe sorgen soll. Sicherheitswachten existieren in Bayern seit 1994. Dabei gehen Freiwillige auf Streife und sollen „schon durch ihre Präsenz die Sicherheitslage und das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger“ verbessern. Doch wenn dies das Ziel von Sicherheitswachten ist, was macht dann eine Sicherheitswacht am Rotkreuzplatz, an einem Ort, an dem „das Leben pulsiert“? Was macht sie in Neuhausen-Nymphenburg, einem Stadtviertel, in dem der Großteil der Bevölkerung relativ wohlhabend ist?

Nicht jeder kann sich die zum Großteil unter Denkmalschutz stehenden Altbauten, die zwischenkriegszeitlichen Wohnsiedlungen und die damit verbundenen hohen Mietpreise im Viertel leisten. Manche der Wohnungen liegen am Nymphenburger Kanal, der zum Schloss Nymphenburg mit seinem Park führt – beide machen das Viertel zu einem kulturellen und landschaftlichen Highlight in München.

Während ich Stefan und Wolfgang auf ihrer Tour begleite, reden wir darüber, warum sie sich bei der Sicherheitswacht engagieren und warum Neuhausen und Nymphenburg diese ihrer Meinung nach braucht. Sie erzählen, dass sie sich für ihre Mitbürger_innen einsetzen und ihnen Unsicherheiten nehmen wollen. Stefan und Wolfgang sehen sich in erster Linie als Vorbilder für die Bürger_innen und hoffen, dass sie als positives Beispiel auffallen und andere damit zum Nachahmen animieren. Sie wollen dafür sorgen, dass in den jeweiligen Stadtvierteln gesellschaftliche Werte und Normen – wie Ordnung und Ruhe – eingehalten und verbreitet werden.

Die Frage nach der Notwendigkeit einer Sicherheitswacht in Neuhausen beantwortet Wolfgang für sich mit einem Erlebnis, das er im Grünwaldpark hatte: Einige Personen hätten hier eine Party an den Tischtennisplatten gefeiert und ihren gesamten Müll inklusive Alkoholika dort stehen gelassen. „Des ist ja direkt neben nem Spielplatz. Jetzt stell dir mal vor, da kommt ein Kind, des hat Durst und sieht da so ne halbvolle Weinflasche ... ja pfiade Gott.“ Wolfgang und Stefan sehen ihre Aufgabe in solchen Situationen darin, die gewohnte Ordnung wiederherzustellen. Von den regelmäßigen Partys auf der Gerner Brücke berichten sie belustigt: „Solange die Fußgänger durchkommen und nicht belästigt werden, ist alles gut.“

Wichtig wäre es allerdings auch, dass danach alles wieder aufgeräumt und sauber hinterlassen werde. Im Fokus der beiden ‚Sicherheitswachtler’ stehen die Normen Sauberkeit und Ordnung: Der Dreiklang SOS – Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit – ist ein zentraler Gedanke der Sicherheitswacht.i Dieses Konzept erinnert Kulturwissenschaftler auch an die ‚Broken-Window-Theory’, bei der Unordnung und Unsauberkeit als zentrale Charakteristika und Auslöser von Kriminalität genannt werden: Unordnung und Unsauberkeit verringern nach dieser Theorie die Hemmschwelle für Kriminalität und müssen verhindert oder beseitigt werden, um Kriminalität zu vorzubeugen. Diesem Verständnis folgend hängen Sauberkeit und Sicherheit untrennbar miteinander zusammen.ii Ist ein Ort sauber und ordentlich fühlt man sich demnach dort automatisch sicherer und verhält sich auch so.

Was bedeutet es für die Freiwilligen, wenn sie Sicherheit durch Sauberkeit und Ordnung herstellen? Wolfgang, der jetzt seit circa drei Monaten bei der Sicherheitswacht ist, berichtet sehr positiv von den Interaktionen auf der Straße: „Also ich finde, wir werden immer sehr positiv wahrgenommen. Das merkt man an den neugierigen Blicken, aber auch an den Leuten, die einen dann echt mal ansprechen. Mir macht es noch Riesenspaß.“

Ihr eigenes Sicherheitsverständnis hätte sich seit ihrem Engagement bei der Sicherheitswacht nicht großartig verändert, sagen sowohl Stefan als auch Wolfgang. Abgesehen davon, dass sie nun auch versuchen würden, außerhalb ihres Dienstes ihre Vorbildfunktion aufrecht zu erhalten, beispielweise nur bei Grün über die Ampel zu gehen oder Leute darauf hinzuweisen, wenn ihr Fahrradlicht kaputt sei, „insgesamt einfach mehr auf seine Mitmenschen zu achten“. Durch die Arbeit bei der Sicherheitswacht bemühen sich Stefan und Wolfgang also, in Vorbildfunktion als ‚gute’ Bürger aufzutreten und halten andere dazu an, es ihnen gleich zu tun.

Der Pressesprecher der Polizei München, Marcus Da Gloria Martins, betont im Gespräch, dass Bürger_innen heute keine Verantwortung mehr übernähmen. Statt beim Nachbarn zu klingeln, um ihn zu bitten, die Musik runterzudrehen, würde man heute lieber die Polizei rufen. Die Arbeit und das Selbstbild der ‚Sicherheitswachtler’ passt genau in diese (polizeiliche) Wahrnehmung der (städtischen) Öffentlichkeit: Es geht um mehr Wachsamkeit, um mehr Ordnung.

alessa_artikel_2

Alessa Füger

Hier gehts weiter zu Teil 2: Von Motiven, Zielen und Gegnern

Literatur

i Vgl. dazu z.B.: Kappeler, Ann-Marie (2001): Öffentliche Sicherheit durch Ordnung: Konfliktlagen im öffentlichen Raum und ihre Bekämpfung durch aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen (Platzverweis und Aufenthaltsverbot). Stuttgart (weiterlesen...)

ii Vgl. dazu z.B.: Jahn, Thomas (2003): „Bürger- und gemeinwesenorientierte Polizeiarbeit: die Community-Policing-Strategie: Grundlagen, Erfolge und Möglichkeiten der Umsetzung unter den Bedingungen der deutschen Rechts. Hamburg (weiterlesen...)

(Weitere Literatur zum Thema gibts hier...)