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„Mein immerwährender Schatten“ – die Diensthunde der Bayerischen Polizei

21.02.2017 um 00:00 Uhr

Foto: Said Burg

„Mei, das ist ein Lebewesen, die mit mir 24 Stunden lebt. Also ich nehme sie nicht als technisches Hilfsmittel wahr, weil, wie gesagt, das ist ein Lebewesen. Die lebt 24 Stunden mit mir und bei mir, das ist mein immerwährender Schatten.“ (Diensthundeführerin Denise, 01.06.2016)

Diese Worte einer Diensthundeführerin berühren mich als treue Hundefreundin zutiefst. Denise arbeitet bei der Münchner Diensthundestaffel im nordwestlichen Stadtteil Allach, welche ich im vergangenen Sommer zwei Mal besuchte und wo ich einige der 43 Hundeführer_innen, die dort tätig sind, traf sowie einem Trainingstag beiwohnte. Mitgenommen habe ich von diesen Besuchen den Eindruck, dass diese Beamt_innen ihr Leben dem vierbeinigen Kollegen verschrieben haben, und die Faszination für die Intensität dieser speziesüberschreitenden Zusammenarbeit, die weit über das Berufliche hinauszugehen scheint.

Vor allem ein Diensthund-Polizisten-Team durfte ich bei meinen Besuchen näher kennenlernen: Christoph und sein Rüde Cox sind nach rund fünf Jahren eingespielt, wissen um jeden Charakterzug des anderen und waren in all der Zeit nur wenige Tage getrennt. Aufgewachsen in einem hundeaffinen Haushalt, die Mutter als Züchterin aktiv, der Vater bei der Rettungshundestaffel, liegt Christophs heutiges Berufsfeld nicht fern von seinen Wurzeln. Sein erster tierischer Kontakt als Polizist war jedoch das Pferd: Sechs Jahre arbeitete er bei der Münchner Reiterstaffel, die unter anderem bei Fußballspielen rivalisierende Fangruppen  voneinander trennt und hoch zu Ross Streifen im Englischen Garten oder an Badeseen reitet. Das überwiegend präventive Wirken der Reiterstaffel erfüllte Christoph jedoch auf Dauer nicht und so war die „logische Konsequenz“, wie er sagt, die Diensthundestaffel, wo sich seinem Empfinden nach der präventive und repressive Teil der Arbeit mehr die Waage halten. In der wissenschaftlichen Forschung gilt die polizeiliche Arbeit zum einen als durch das Bild des „Schutzmannes“ geprägt, der im Mittelpunkt einer „zivilgesellschaftlichen ‚Bürgerpolizei’“1 steht und einen „genuinen Bezug in der lokalen (Wohn-) Gemeinde“2 hat. Zum anderen setzen sich Polizist_innen darüber hinaus stets für den Staat sowie die Rechtsordnung ein und arbeiten folglich auch für eine übergeordnete und abstrakte Sache. Entsprechend sind sie sowohl präventiv als auch repressiv tätig.

Die Bewerber_innenlage bei der Münchener Diensthundestaffel zeigt, dass nicht viele Polizist_innen den Schritt wagen, den Christoph vor fünf Jahren gemacht hat: Gerade einmal drei Bewerber_innen kommen in etwa auf eine freie Stelle. Der zentrale Grund hierfür ist naheliegend und geht bereits aus dem dienststelleneigenen Flyer hervor: Mit dem Titel „Ein Mensch und seine Seele“3 wird, zwar überspitzt aber unweit der Realität, die Unzertrennlichkeit und Innigkeit des Mensch-Tier-Gespanns bei der Polizei beschrieben. Der Hund weicht dem_der Hundeführer_in von dem Tag an, an dem ihm_ihr das Tier überreicht wird, kaum mehr von der Seite. Sie arbeiten, leben und wohnen zusammen. Obwohl der Hund bis zu seiner Pensionierung auf dem Papier dem Freistaat Bayern gehört, ist er vollwertiges Mitglied im Haushalt des_der Hundeführer_in. 80 bis 90 Prozent der Beamt_innen trennen sich nicht einmal zu Urlaubszeiten von ihrem vierbeinigen Freund – Fernreisen ade.

In einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen von weniger ‚Work-’ mehr ‚Life-Balance’, Sabbaticals und exotischen Reisezielen träumen, in der die Freizeit einen hohen Stellenwert genießt, könnte man Hundeführer_innen fast als moderne Mönche bezeichnen: Sie opfern ihr Leben dem Hund und ihrer Aufgabe, der ‚Sicherheit’ der Gesellschaft – bis dass der Tod sie scheidet. Denn die Option, den Hund bei seiner Pensionierung abzugeben, bestünde zwar, aber ergreifen tut sie niemand. Jede_r Hundeführer_in pflegt das Tier, das nun nach einem Übereignungsvertrag auch offiziell ihm_ihr gehört, auch im Rentenalter – obgleich der Tatsache, dass die Tierarztkosten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vom Polizeipräsidium getragen werden und das monatliche Futtergeld um 20 Euro reduziert wird. Nicht selten spart die_der Beamt_in bereits während der Dienstzeit des Hundes für spätere etwaige Tierarztrechnungen – denn: Gerade im hohen Hundealter können Krankheiten auftreten, die aus der dienstlichen Beanspruchung resultieren.

Entscheidet sich ein_e Polizist_in nichtsdestotrotz für eine Laufbahn bei der Diensthundestaffel (Hauptmotivation ist in der Regel das Interesse an der Arbeit mit Hund), wird im Auswahlprozess auf Folgendes geachtet: Voraussetzung ist das maximale Alter von 43 Jahren und eine mindestens zweijährige Einzeldiensterfahrung auf dem Revier, denn ab einem gewissen Zeitpunkt fährt der_die Beamt_in bei der Hundestaffel mit dem Hund alleine im Streifenwagen. Darüber hinaus ist eine Erfahrung mit Hunden von Vorteil, die Wohnsituation wird abgefragt (Erlaubnis, Haustiere zu halten; Gartenzugang wünschenswert; bereits vorhandene Haustiere wie Katzen gelten als problematisch) und insbesondere die Zustimmung des direkten familiären Umfelds ist unerlässlich. Im Gespräch mit dem Bewerber_innen klären die Ausbilder_innen vorab über das Leben mit einem Hund auf, verweisen auf die damit einhergehenden Einschränkungen und auf die Unterschiede im alltäglichen Umgang mit einem Dienst- im Vergleich zum Privathund.

Ersterer gehört stets in eine verantwortungsbewusste Hand, auch nach Feierabend: Polizeihunde sind Hunde, die meist wenig sozialisiert gegenüber Artgenossen sind – Grund hierfür könnte sein, dass dies oftmals schon versäumt wurde, noch bevor das Tier mit circa einem Jahr zur Polizei kommt. Und hier wird wenig Wert darauf gelegt, da es für die polizeiliche Arbeit nicht von Bedeutung zu sein scheint, dass die Hunde untereinander verträglich sind. Vielleicht sogar im Gegenteil: Denn „jeder [Polizeihund] hört jeden Tag, dass er der Beste ist, und dann lässt er sich von einem anderen Artgenossen auch nichts gefallen“, so Jochen, zuständig für die Ausbildung von Mensch und Tier bei der Münchner Diensthundestaffel. Gerade Polizeihunde zeichnen sich ohnehin nicht durch ihren zurückhaltenden, schüchternen Charakter aus. Auch die Arbeit eines solchen Hundes ist dabei nicht zu unterschätzen: Zu Dienstzeiten gehört es unter anderem zu seinen Aufgaben, möglicherweise gewaltbereite Straftäter zu stellen – das Meistern derart aggressionsgeladener Situationen kann sich auch auf das Gemüt des Hundes in seiner Freizeit niederschlagen. Die soziale Komptabilität von Polizeihunden ist jedoch, wie auch bei privaten Hunden, stets individuell verschieden und kann sich im Laufe der Entwicklung des Hundes verändern.

Nach der Klärung der Rahmenbedingungen nehmen die Bewerber_innen einen Tag lang an der Ausbildung teil und begleiten eine Nachtschicht, damit sich beide Seiten ein Bild machen können. Auf eine erfolgreiche Einstellung folgt eine sechsmonatige Probezeit. Hier zeigt sich, welche_r Hundeführer_in mehr oder weniger Gefühl für den Hund mitbringt. Doch solange die Basis, eine grundlegende Begeisterung für das Tier, gegeben ist, stehen die Chancen gut, ein festes Mitglied der Hundestaffel zu werden, denn Sensibilität für das Wesen des Hundes und alles Übrige lassen sich auch mittels Gewöhnung, Training und Fleiß erlernen. Dennoch liegt es auch in der Verantwortung der Ausbilder_innen, diesen Prozess richtig zu koordinieren.

Bereits am ersten Diensttag des_der neuen Hundeführer_in wird ihm_ihr sein_ihr tierischer Kollege zur Seite gestellt. Wie lange es dauert, bis das Paar zusammenwächst, ist von Hund zu Hund und von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Unter Zeitdruck stehen beide dabei nicht – Mensch und Tier wird die Zeit gegeben, die sie benötigen, denn man ist sich dessen bewusst, dass bei einer derart anspruchsvollen und wichtigen Ausbildung gemeinsam mit einem Tier nichts künstlich beschleunigt werden kann. Gleichwohl gab es bereits seltene Fälle, bei denen das Team schlussendlich nicht harmonierte, weil beispielsweise ein quirliger Rüde mit einem weniger flinken Hundeführer zusammengeführt wurde, jener das ein oder andere Mal beim Schnappen nach dem Spielzeug zu stürmisch war und sich in der Rangordnung über seinen menschlichen Kollegen stellte, der in der Folge wiederum zu viel Respekt vor ihm hatte. Bei einer solchen Situation muss der Hund dann entweder die Diensthundestaffel wieder verlassen oder wird zu einem_einer anderen Hundeführer_in weitergereicht. Insgesamt dauert die praktische Ausbildung in etwa eineinhalb Jahre, zuvor müssen Junghundeführer_innen ein zweiwöchiges theoretisches Einführungsseminar besuchen, bei dem die Grundlagen hinsichtlich der Hundeausbildung und des Erste-Hilfe-Vorgehens beim Partner Hund vermittelt werden.

 Laura-Louise Gettmann


Hier gehts weiter zu Teil 2: Cox - Freund, Kollege und Familienmitglied

 

 

Literatur

1 Behr, Rafael (2006): Polizeikultur. Routinen – Rituale – Reflexionen. Bausteine zu einer Theorie der Praxis der Polizei. Wiesbaden. S. 42. (weiterlesen...)

2 Ebd. (weiterlesen...)

3 Diensthundestaffel München/Polizeiinspektion ED5 (2016): Ein Mensch und seine Seele. München. S. 1. (weiterlesen...)

(Weitere Literatur zum Thema gibts hier...)

Cox - Freund, Kollege und Familienmitglied

"Ein total interessantes Leben": Vom Privat- zum Diensthund

Der Diensthund im Gefüge der Polizei