Sicherheit in München
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"Wohnen und Leben auf höchstem Niveau" mit Concierge und Überwachungskameras – Dimensionen des „Guten“ und „Sicheren“ Wohnens in München.

Blumen, Burger und Glockengeläut – so riecht und klingt es, das urbane Lebensgefühl, an einem Sommertag in der Maxvorstadt. An der Ecke Karlstraße/Luisenstraße steigt der Blumengeruch über die Mauern der Benediktinerabtei St. Bonifaz, von deren Glockenturm es die Uhrzeit läutet und in deren angrenzendem Innenhof die Stiftsgärtnerei angelegt ist. Der Geruch nach Frittiertem kommt aus dem Hans im Glück, einem Burgerrestaurant. Die Filiale ist, wie auch die Marketing Agentur Condé Nast oder die Unternehmensberatung McKinsey&Company, Teil der 2008 neben dem Alten Botanischen Garten realisierten Wohnanlage Lenbach Gärten.

Lenbach Gärten – das klingt nach Kunst, Kultur und Erholung in schön angelegten Grünanlagen im Herzen Münchens. Die Lenbach Gärten sind jedoch kein Park, sondern eine abgesicherte und bewachte, exklusive Wohnanlage. Ein urbanes „Quartier der Extraklasse – elegant, exklusiv und preisgekrönt“, wie es das ausführende Immobilien-Investmentunternehmen Frankonia Eurobau AG beschreibt. Eine Wohnanlage, die vor den bedrohlichen Elementen der Stadt vor ihren Türen beschützen will.

Sowohl räumlich als auch architektonisch und hinsichtlich der gewünschten und tatsächlichen Bewohner_innen schließt diese Wohnanlage an das Fünf-Sterne-Luxushotel The Charles an. Es gibt moderne Loftwohnungen, Stadthäuser im Gründerzeitstil und „klassizistisch anmutende Fassaden“, mit geraden Linien und strenger Symmetrie in weißer Farbe und mit hellbraunen Holz-Jalousien. An die in dieser Weise „stilbewusst“ gehaltene äußere Fassade schließt die durchdesignte Weg- und Grünflächengestaltung an: Aufeinander abgestimmte Laternen, Pflasterungen, Zäune, Säulen und ein „malerischer Brunnen“ an der Nordseite der Anlage, der den Mittelpunkt eines „pittoresken Platzes“ bildet, sind Elemente des Gestaltungskonzepts. All das passt gut in das „mediterrane Flair“ und „südliche Ambiente“, das von der Frankonia Eurobau AG inszeniert und beworben wird: „Wohnen an St. Bonifaz: Leben an der Piazzetta“ – dieser Slogan steht exemplarisch für die gewünschte Zielgruppe, die nach einem bestimmten urbanen Lebensgefühl sucht und einen entsprechenden Lifestyle pflegt: kulturell versiert, stilvoll, diskret – aber auch abgesichert.

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„Vom Doorman organisiert, sorgen dienstbare Geister und fleißige Hände für höchsten Komfort, ein behagliches Lebensgefühl und größtmögliche Sicherheit“ und mit einer durchdachten Landschaftsgestaltung schaffen „grüne Zäune kleine private Rückzugsräume“ und „die schmiedeeisernen Zäune dienen nicht nur der Sicherheit“.

Größtmögliche Sicherheit? Nicht nur Sicherheit? Was meinen Immobilienunternehmen wie die Frankonia Eurobau AG damit und wer möchte überhaupt in größtmöglicher Sicherheit wohnen? Wie stellen Anlagen wie die Lenbach Gärten ‚Sicherheit‘ her und wie wird dabei der urbane Raum, bzw. in diesem Fall München ‚versicherheitlicht‘?

Dimensionen abgesicherter Wohnanlagen:

Bewachte Wohnkomplexe führen laut dem Geowissenschaftler Florian Skoruppa einzelne „Kontrollmaßnahmen zu einem gesamtgestalterischen Sicherheitskonzept auf privaten Grundstücksflächen“ zusammen. „Dabei soll hochwertiges Wohnen in attraktiver Lage mit Service-, Reinigungs- und Sicherheitsdienstleistungen des täglichen Bedarfs verbunden werden“. Es wird ein sicheres Wohnumfeld hergestellt, „das mithilfe räumlicher Kontrollmaßnahmen von unsicherem Terrain abgrenzt werden soll“. Florian Skoruppa unterscheidet zwischen „verschiedene[n] Arten von bewachten Wohnkomplexen, von hochwertigen Seniorenheimen bis hin zu randstädtischen Golf-Ressorts („Lifestyle Communities“) […], die wiederum nach Standort und Einkommensschicht unterteilt […] sein können.“1

Diese Fragen beantworte ich in diesem Blogeintrag in vier Artikeln:
1) In Teil 1 gehe ich auf die ausschließende Macht der Ästhetik ein
2) In Teil 2 gehe ich auf das Lebensgefühl ein, das in abgesicherten Wohnanlagen verkauft wird
3) In Teil 3 geht es um Diskretion und Distinktion, die in Anlagen wie den Lenbach Gärten großgeschrieben werden
4) In Teil 4 geht es um die gesellschaftlichen Konsequenzen von 'versicherheitlichtem' Wohnen in der Stadt. 

Als ‚Versicherheitlichungen‘ werden in den Kultur- und Sozialwissenschaften Handlungen und Äußerungen bezeichnet, die ein Thema überhaupt erst zum Sicherheitsthema machen, indem sie eine Bedrohung suggerieren, gegen die nur bestimmte Maßnahmen wie Überwachungskameras helfen. Am Beispiel des Wohnens: Durch eine Bündelung von Debatten über vermehrte Wohnungseinbrüche, erstarkende Drogenszenen und Bettler-Mafien wird der städtische Raum als bedrohlich charakterisiert. So erläutert Constanze Regner, eine Mitarbeiterin der Münchner Baugesellschaft artform GmbH, die die Wohnanlage Therese konzipieren: „Die Gegend rund um den Hauptbahnhof, also das ist halt schon ein gefährliches Pflaster mit all den komischen Läden und Stripclubs und den Leuten, die da rumhängen – Ausländer, Flüchtlinge … Touristen und lauter Junkies und Alkoholiker und auch so viele Bettler“. Eine Gegenmaßnahme gegen diese wahrgenommenen ‚Unsicherheitsfaktoren‘ ist dann allein das Wohnen in ‚sicheren‘ Anlagen. Etabliert sich dieser Diskurs und setzt sich durch, so kann man von einer Versicherheitlichung sprechen.

Abgesicherte Wohnanlagen in München ähneln in ihrer Funktionalität und Struktur den vor allem aus Nord- und Südamerika und Südafrika bekannten ‚Gated Communities‘, welche als geschlossene Wohnkomplexe Zugangsbeschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen haben (wie Zäune, Tore, Wachdienste, Ausweiskontrollen) sowie teilweise eine eigene interne Infrastruktur mit Versorgungs- und Bildungseinrichtungen.2

In München gibt es mehr bewachte, exklusive und exkludierende, vermeintlich sichere Wohnanlagen, als man auf den ersten Blick glauben mag: Neben den bereits eingangs beschriebenen Lenbach Gärten in der Maxvorstadt, liegen eine Parallelstraße westlich davon die Augustenhöfe, die ebenfalls mit Concierge (Wort „Concierge“ als Hyperlink zu Textteil 4, indem dies erklärt wird), Kameraüberwachung und Videogegensprechanlagen ausgestattet sind. Weiter nördlich in der Maxvorstadt wird ab 2018 die Therese bezugsfertig sein, die jedoch ohne Votum der Bewohner_innen erst einmal keine Videoüberwachung anbieten wird, wie mir Constanze Regner von der artform GmbH erzählt. Im Glockenbachviertel finden sich mit dem Isar-Stadtpalais, The 7 und den Glockenbachsuiten gleich drei abgesicherte Wohnanlagen, die ihren Bewohner_innen exklusiven Zugang gewährleisten wollen und mit Kameraüberwachung und Videogegensprechanlagen ausgestattet sind sowie teilweise auch Concierge-Dienste anbieten.

In Sendling liegen in unmittelbarer Nähe zur Isar die Flaucher Auen-Studio Apartments mit Concierge, die zusammen mit den am Olympiapark gelegenen Olympia Tower-Studio Apartments realisiert wurden. Südlich des Olympiaparks gibt es außerdem eine Wohnanlage am Olympiaberg (Winzererstraße), die zwar keinen Concierge anbietet, jedoch komplett umzäunt ist und auch mit Videogegensprechanlagen ausgestattet ist. Nicht weit davon liegt die Luxus-Appartement-Anlage studiomuc, die – ebenso wie das am Residenztheater gelegene Palais an der Oper – sowohl einen Concierge als auch Kameraüberwachung und Videogegensprechanlagen anbieten. Schließlich wird ab 2018 auch das an der Theresienwiese gelegene Bavaria Palais bezugsfertig sein, bei dem momentan von Videogegensprechanlagen und Kameraüberwachung die Rede ist.

Viele Wohnungen in diesen Anlagen werden komplett möbliert angeboten, wobei wie in den Lenbach Gärten stets großer Wert auf die „ausgewählte Ausstattung der edlen Wohnungen“, die Verwendung „geschmackvoller“ Elemente in der Einrichtung und die Verarbeitung hochwertiger Materialien („Design-Fliesen“, „Edles Naturholzparkett“, „geschliffene Böden aus italienischem Marmor“) gelegt wird: „Die mit edlen Materialien und wertvollem Mobiliar eingerichtete Wohnung verwandelt sich so in ein kleines Schloss“. Die Ausstattung muss das Klientel auch finanzieren können. So heben sich Wohnkomplexe wie die Lenbach Gärten von gängigen Miethäusern ab. Zusammen mit den bereits erwähnten Service- und Sicherheitsangeboten bieten sie so ein Gesamtpaket aus personellen (Concierge-Dienst), technischen (Kameras, Infrarot-Bewegungsmelder, Videogegensprechanlagen) und baulichen (Architektur, Raumgestaltung, Materialien) Abgrenzungs- und Absicherungsmaßnahmen, die den Bewohner_innen ein sicheres Gefühl vermitteln sollen.
Um jene ästhetischen Ausschlussmechanismen soll es im folgenden ersten Artikel dieser Reportage gehen.

Anne Dietrich

Hier gehts weiter zu Teil 1: Ästhetik als Ausschluss

Literatur

1 Skoruppa, Florian (2013): Sicherheitsproduktion als Sweat Equity? Auswirkungen des Wandels europäischer Immobilienmärkte auf die kriminalpräventive Gestaltung innerstädtischer Wohnprojektentwicklungen im hochpreisigen Segment. Dissertation. Hamburg, S. 62. (weiterlesen...)

2 Ebd., S. 61 ff., außerdem Glasze, Georg (2001): Geschlossene Wohnkomplexe (gated communities): „Enklaven des Wohlbefindens“ in der wirtschaftsliberalen Stadt. In: Roggenthin, Heike (Hrsg.): Stadt – der Lebensraum der Zukunft? Gegenwärtige raumbezogene Prozesse in Verdichtungsräumen der Erde. Mainz, S. 39-55. Hier: S. 39 ff. (weiterlesen...)

(Weitere Literatur zum Thema gibts hier...)