Sicherheit in München
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Röntgenkontrollen, Sprengstoffkontrollen und Terrorlisten-Abgleich - die sichere Antwort in der Luftfracht?

Über die Notwendigkeit von Sicherheitskontrollen und -maßnahmen an Flughäfen und in der Luftfahrt allgemein herrscht gegenwärtig ein großer Konsens. Es gehört zum Alltag von Flugreisenden weder spitze, noch scharfe Gegenstände im Handgepäck zu transportieren, die Flüssigkeiten sorgfältig zu messen und in durchsichtige Tüten zu packen, keine Laptops oder ähnliche Geräte mit Lithium-Ionen Akkus im aufzugebenden Gepäck zu verstauen, vorab beim Buchen sorgfältig die angegebenen Daten mit dem Reisepass abzugleichen und mehr Zeit am Flughafen einzuplanen, da die Schlangen an den Personenkontrollen sowie das möglicherweise erforderliche Öffnen des Handgepäcks mehrere Minuten beanspruchen kann.

Was wird unter dem Begriff "Flughafensicherheit" verstanden? hier mehr dazu

Die Sicherheitsvorkehrungen kommerzieller Flughäfen reichen aber weit über diesen kleinen Ausschnitt, den Passagier_innen bei ihren Flugreisen erfahren, hinaus. Sie prägen beispielsweise auch das Design, die Anordnung und die Architektur der Gebäude. Der terroristische Anschlag auf den Flughafen Brüssel im März 2016 zeigte nicht nur abermals, dass nicht nur Flugzeuge im Visier stehen, sondern rief auch neue Diskussionen hervor, wie und ob der Zugang zu Flughäfen gesichert werden könnte und sollte.1

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Entführungen von Passagierflugzeugen gehören seit den späten 1960ern zu den Aktionsformen terroristischer Gruppen.2 Die Terroranschläge auf das World Trade Center und Pentagon am 11. September 2001 können jedoch als Wendepunkt in der Anwendung von Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen gesehen werden. Zwar gab es bereits vor 9/11 an den meisten Flughäfen Sicherheitsvorkehrungen, jedoch noch keine weltweiten Standards. Außerdem beschränkten sich die vor 2001 existierenden Sicherheitsmaßnahmen auf die Passagier_innenterminals und die Abfertigung der Passagier_innen sowie deren Gepäck. Luftfracht dagegen, die ebenfalls an Flughäfen, meist in einem eigenen Terminal, abgefertigt wird, war bis zu diesem Zeitpunkt von dem Bemühen, den Luftverkehr vor Angriffen von außen zu schützen, weitgehend unberührt geblieben: „[V]or 15 Jahren, vor den Anschlägen [des 11. Septembers 2001], da also wäre es ein leichtes gewesen da Stücke zu verschicken. Da ist ja der Absender nicht mal überprüft worden, da ist ja nichts gemacht worden“, erläutert Walter Fischer3 von der Spedition LogFreight.

Dies ist deshalb bemerkenswert, da Luftfracht und -post nicht nur in extra Frachtflugzeugen, sondern ebenso im Laderaum vieler Passagierflugzeuge transportiert wird. Insgesamt werden knapp 50 Prozent der Luftfracht mit Passagier_innen und deren Gepäck zusammen befördert.4 Theoretisch kann sich also wie im aufgegebenen Gepäck der Passagier_innen auch in der Luftfracht eine Bombe befinden.

Bis 2001, so Fischer, sei die Luftfracht von den Kunden angeliefert und direkt in die Flugzeuge verladen worden. Zwar hätte Israel bereits zuvor jedes Frachtstück kontrolliert und die USA stichprobenweise, in der Bundesrepublik Deutschland aber wäre dies nicht der Fall gewesen. In Folge der Ereignisse am 11.9.2001 wurden dann aber gemeinsame Sicherheitsvorschriften in der Zivilluftfahrt von der Europäischen Union verabschiedet.5 Erst jetzt wurde, wie die Verkehrsbetriebswirtschaftler Tobias Bernecker und Hans-Helmut Grandjot erläutern, auch in der Luftfracht die lückenlose und nach einheitlichen Kriterien erfolgende Kontrolle erwartet, was bedeutet, dass nun alle Schritte der Transportkette den eingeführten Sicherheitsmaßnahmen entsprechend transparent und nachvollziehbar sein müssen.6 Seither folgten verschiedene Erweiterungen, sodass jetzt grundsätzlich alle Post- und Luftfrachtsendungen vor der Verladung ausnahmslos kontrolliert werden müssen und alle am Transport beteiligten Akteure Verantwortung für die Sicherheitsmaßnahmen tragen.

Auf den folgenden Seiten geht es deshalb um die „sichere“ Abfertigung von Luftfracht. Hier soll die „sichere Lieferkette“  gewährleisten, dass nur Fracht in Flugzeuge verladen wird, die als „sicher“ eingestuft wurde und alle dafür notwendigen Maßnahmen eingehalten werden.7 Auffällig ist, dass „sicher“ im Feld als selbsterklärend verstanden wird. Was aber ist unter „Sicherheit“, was als „Gefahr“ zu verstehen? Sicherheit wird in Teilschritten dieser Kette durch Überprüfungsverfahren, in denen auf menschliche und maschinelle Fähigkeiten gesetzt wird, hergestellt – wie z.B. durch den Compliance Check bei dem u.a. die Absender überprüft werden, durch Röntgenkontrollen8 und die Sprengstoffspurendetektion. Diese Überprüfungsverfahren sind auf den folgenden Seiten Thema. Sie sind als konstitutive Momente in der „sicheren Lieferkette“ zu verstehen, weil hier Sicherheit aktiv hergestellt wird - Ziel dieser Situationen ist schließlich ein Sicherheitsgewinn. Obwohl sie alle „Sicherheit“ herstellen, ist damit in den einzelnen Mensch-Maschine-Interaktionen jeweils etwas Anderes gemeint.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich entsprechend auch, dass verschiedene Logiken und Dynamiken in die Kontrollen mit einspielen (z.B. ökonomische Überlegungen oder technische Besonderheiten) und diese teilweise gegeneinander ausgespielt werden. Auch deutlich wird, dass in der unmittelbaren Kontrolle von Luftfracht das Vertrauen in die Technik nicht blind ist. Das Bauchgefühl entscheidet während das Bild des Scanners skeptisch betrachtet wird – und dies obwohl der Technikglaube zumeist recht stark ist, wenn es um Fragen der Sicherheit geht. Man denke nur an den permanenten Ruf nach mehr Überwachungskameras und Körperscannern, der auch nach den Unsicherheitsereignissen 2016 wieder laut wurde.

Libuše Vepřek


Hier gehts weiter zu Teil 2: Der Compliance Check

 

Literatur 

1 Flottau, Jens (2016): Terror am Boden. Es sind nicht nur die Flugzeuge das Ziel von Attentätern. Wie kann die Sicherheit an Terminals verbessert werden? In: Süddeutsche Zeitung vom 23.03.2016. 2. (weiterlesen)

2 Siehe dazu auch die Chronik der „spektakulärsten Flugzeugentführungen“ von SPIEGEL ONLINE. (weiterlesen)

3 Die Namen der Interviewpartner_innen sowie der Spedition und des Dienstleistungsunternehmens wurden anonymisiert. (weiterlesen)

4 Vgl. http://www.bdl.aero/de/. (weiterlesen)

5 Diese wurden in der VO (EG) Nr. 2320/2002 festgehalten (vgl. Piltz, Burghard (2013): „Bekannter Versender“ – Sicherheitskontrollen bei Luftfracht. In: IHR 2/2013. 61-63). (weiterlesen)

6 Die Maßnahmen, die sich in der Luftfracht auf alle Akteure vom Versender bis zum Empfänger bezogen, wurden schließlich in der 2008 verabschiedeten Verordnung (EG) Nr. 300/2008 konkretisiert (vgl. Bernecker, Tobias / Grandjot, Hans-Helmut (Hg.) (2014): Sicherheit im Transport. Lieferprozesse zertifizieren, managen und lückenlos überwachen. München. 16). (weiterlesen)

7 Vgl. https://www.lba.de/. (weiterlesen)

8 Im Feld wird vornehmlich der englische Begriff „X-Ray“ für die Röntgenkontrolle verwendet. (weiterlesen)

(Weitere Literatur zum Thema gibts hier...)